Von Ilse Lemmer
Es fing ganz bescheiden an mit den Wanderfahrten im Segeberger RC. Im ersten Jahr nach der Wiedergründung 1974 musste zunächst die Mitglieder das Rudern erst erlernen, bevor an eine Wanderfahrt gedacht werden konnte.
Die erste Wanderfahrt des SRC fand auf der Wakenitz statt. Es war eine eintägige Tour von Lübeck nach Rothenhusen und zurück. Unterwegs wurde in Absalonshorst angelegt. Dort trafen die Ruderer ihre nicht rudernden Angehörigen, die mit Autos dorthin gekommen waren. Es gab damals viele Familien im Verein, sodass auch eine große Anzahl Kinder teilnahmen. Dieser ,,Familienausflug" fand so groBen Anklang, dass es zu einer Tradition wurde, in jedem Jahr einmal auf der Wakenitz zu rudern.
Die nächste Tour führte die Ruderer bereits auf die Unterweser und ging über zwei Tage. Auf der Rücktour gab es leichte Konditions- und Navigationsschwächen. Durch den Tidenunterschied sah alles so anders aus als am Tag zuvor.
Der Verein wuchs und mit ihm auch die Lust auf Wanderfahrten. Ein Wanderruderwart wurde gewählt: Lorenz Hinrichsen. Es gab nun in jedem Jahr mehrere Fahrten. Feiertage wie der 1. Mai, oder der 17. Juni wurden stets genutzt, und eine große Tour fand immer in den Sommerferien statt. Auf der Elbe, der Weser, dem Rhein, dem Neckar, der Ruhr, der Trave, der Wümme, der Schlei, auf dem Plöner See, den Kandlen und Flüssen Ostfrieslands, Dänemarks und Hollands, in und um Berlin und nach der Wiedervereinigung auf dem Schweriner See, dem Plauer See, im Gebiet der Müritz, Potsdam und Brandenburg waren Segeberger Ruderer unterwegs. Besondere Höhepunkte waren die Fahrten auf der Moldau und auf dem Lago Maggiore.
Nun konnte man über jede dieser Fahrten einen Bericht schreiben, denn immer gab es etwas Bemerkenswertes oder Lustiges, was den Teilnehmern in Erinrerung ist und bei passender Gelegenheit gern immer wieder erzählt wird, z. B. ,,Das U-Boot", ,,Gastge- schenke in Dänemark" oder ,,Evi im Ölzeug".
Eine Wanderfahrt zu planen und durchzuführen ist mit viel Arbeit, großem Zeitaufwand und manchmal auch mit Ärger verbunden. Irgendwann wollte Lorenz nicht mehr der Wanderruderwart sein, ein neuer Wanderruderwart war nicht in Sicht, das Rudervolk war verunsichert.
Der Wunsch nach weiteren Wanderfahrten war jedoch so stark, dass sich eine neue Organisationsform herausbildete. Aus der Gruppe der Wanderfahrer findet sich in jedem Jahr ein kleines Team zusammen, das eine Fahrt vorbereitet und durchführt, und auch das, was am Anfang der Geschichte des Wanderruderns im SRC so gut ankam, die Angehörigen mit einzubeziehen, wird wieder gepflegt. Es gibt fast immer parallel zur Bootstour eine Fahrradtour und für alle zusammen ein kleines kulturelles Programm.
Wanderrudern bedeutet doch für die Einen, endlich einmal wieder länger als die üblichen 8 oder 10 km über den eigenen See zu pullen, für die Anderen, vom Trainings- in den Wanderrhythmus „runter zu kommen“. Für Dagmar, Myriam, Ulla, Sabine, Jürgen und Bert war weder das eine noch das andere ein Problem - sondern viel mehr Spaß pur!
Die schier unendlichen Rudermöglichkeiten rund um Brandenburg auf der Havel und den verschiedenen Seen hatten wir (beziehungsweise Ulla) ausgeguckt. Wetter.com war nicht so optimistisch, doch unerschrocken, wie wir schon sind, stachen wir nach der ersten Übernachtung auf der sehr schön gelegenen Anlage des RC Plaue, zu DDR-Zeiten Jugend-Leistungsförderzentrum, in den Plauer See. Die ersten Schaumkronen umschifften wir gekonnt und Dagmar behielt am Steuer auch gute Nerven, als die Wellenberge uns am Havelzufluss zu einer wuchtigen Berg- und Talfahrt zwangen. Die Strömung der Havel gegen sechs Windstärken ließen uns auf dem See fröhlich tanzen, bevor wir nach leichter Schöpfarbeit die Stadt Brandenburg in ruhiger Flussfahrt umrundeten.
Dann der Beetzsee: Eine Woche zuvor noch Schauplatz eines beeindruckenden EM-Sieges des Deutschland-Achtes bei ruppigem Ostwind. Uns blies er von Nordwest, so dass wir die seit 1969 bestehende Regattastrecke ehrfürchtig, aber von Wellen unbehelligt gegen die Fahrtrichtung Richtung Campingplatz Flachsberg durchruderten. Landdienst Jürgen hatte dort die Zelte bereits aufgestellt und eine kleine Holzhütte als Schutz vor Wind und Wetter gebunkert. Die Nacht war gesichert.
Auf dem Rückweg am Tag zwei machten wir „in Kultur“, durchfuhren abermals die Regattastrecke (diesmal in Rennrichtung) und parkten unser Gig-Boot beim RC Havel, um von dort Dom und Altstadt Brandenburgs mit ihrer wechselvollen Geschichte zu erkunden. Unser Quartier bezogen wir beim SV Kloster Lehnin, Sektion Rudern – ein urgemütlicher Verein, ganz auf Jugend- und Wanderrudern ausgerichtet, ebenfalls mit einem großzügigen Gelände ausgestattet – und einem Vorsitzendem, der von vielen Touren erzählen konnte.
Auf dem Rückmarsch Richtung Plaue wählten wir den Silokanal und ersparten uns damit eine erneute Berg- und Taltour an der Havelausfahrt. Wind- und Wetterbedingt wurden es „nur“ 70 Kilometer, aber wie rechnet man eigentlich Spaß und Kultur in Kilometer um? – Eine begeisternde Fahrt einer starken Truppe. Wir freuen uns auf die nächste! von Bert Langbehn